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Sinnhaftigkeit ist eher untergeordnet. Doch: Ohne Sinn ist BvH: Die spannende Rhythmisierung deiner Formen fällt so-
nicht gleich Unsinn! fort in den Blick. Es lässt sich vermuten, dass du ornamen-
BvH: Bei mir ist das anders: Gefühle lösen sich, andere Ge- tale Markierungen suchst. Wir können das beim nächsten
schichten addieren sich, Geruchs- und Geschmacksquali- Bild beobachten (vgl. S. 84). Darauf umschließt ein Geweih
täten kommen dazu. einige Elemente der Umrandung. Auf den zweiten Blick
WF: Natürlich entstehen auch bei mir Interaktionen. Die Frau entdecke ich den Schwanz eines Hundes, welcher sich um
beugt sich nicht ohne Grund nach vorne; es gibt einen Anlass. ein Stuhlbein legt. Die Dinge verschmelzen mit dem Orna-
Die Nase ist ganz dicht am Ringelschwanz. Das sind oft keine ment. Diese Vermischung nutzt du bewusst als Rahmung.
Zufälligkeiten. Es können intuitive Entscheidungen eine Rolle Im Hintergrund findet sich noch mehr Ornamentik auf
spielen. In dem Moment, wo beides zusammenkommt, also der Tapete. Des Weiteren entsteht eine starke Räumlichkeit
Bauch und Kopf, fühle ich mich am wohlsten. durch das Anlegen einer Zentralperspektive.
BvH: Es gibt ein putziges Mädchen mit Blümchen in der Hand. WF: Alles scheint aus der Rahmung entkommen zu wollen.
Dazu kommen Zwerge, Spielzeug und Bärchen. Wo kommen Dieses Bild sieht auf den ersten Blick so harmlos aus. Doch
diese Dinge her? Hast du Illustrationen der Grimm’schen dann zeigen sich kopulierende Hunde, die sich an Zwergen
Märchen im Kopf? und röhrenden Hirschen vergehen. Die heitere Idylle ent-
WF: Ich habe als Kind sehr gerne Malbücher bunt ausgemalt. puppt sich als zügellose Sexorgie.
Diese heile Welt scheint sich bei mir eingeprägt zu haben.
Allerdings bringe ich heute alles in ganz andere Zusammen-
hänge. Vor Jahren ersteigerte ich mir Malbücher aus den 60er
Jahren. Diese scannte ich und stellte neue Szenen zusammen.
Die zum Teil aus der Märchenwelt entliehenen Motive sehen
zunächst harmlos aus. Doch im Verborgenen droht Unheil.
BvH: Die Labilität des Geschehens in deinem Bild ist interessant.
Der aufgeblasene Hund rutscht vom Tisch herunter, auch der
zweite Hund hat keine Standfläche.
WF: Zunächst wirkt alles plausibel. Bei genauerer Betrachtung hat
nichts Halt oder festen Boden. Alles scheint zu schweben und
wegzurutschen.
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