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dort setzte ich mein nächtliches Zeichnen und Malen fort.
                                                                                    Heute bin ich immer noch im gleichen Gebäude, nur zwei
                                                                                    Stockwerke tiefer.
                                                                                  BvH: Wie kamst du damit zurecht, dass du nun kein bewun-
                                                                                    derter Student der Akademie mehr warst?
                                                                                  WF: Ein Star war ich nie gewesen, weil ich mich kaum zeigte.
                                                                                    Ein Atelierstipendium bekam ich auch nicht zugesprochen.
                                                                                    Einschneidender war für mich das plötzliche Leben ohne
                                                                                    BAföG. Meine ersten Ausstellungen waren Vor-Ort-Pro-
                                                                                    jekte. Ich arbeitete einfach in meinen Ausstellungen weiter.
                                                                                    Damit hatte ich zwei Vorteile auf einmal: wieder mehr Zeit
                                                                                    für meine Arbeit und Heizung im Winter.
                                                                                  BvH: Wie fühlte sich das Künstlersein für dich in dieser prekären
                                                                                    Lage an?
                                                                                  WF: Ich hatte nie in den Tag hineingelebt, trotzdem ging mei-
                                                                                    ne Planung in den 90ern und nach der Jahrtausendwende
                                                                                    selten über ein halbes Jahr hinaus. Nicht nur mein Leben,
                                                                                    sondern generell befand sich ganz Deutschland durch die
                                                                                    Wiedervereinigung im Wandel. An meiner Entscheidung
                                                                                    für die Kunst habe ich jedoch nie gezweifelt. Es gab für
                                                                                    mich kein Zurück in mein früheres Leben als Bahner.
                                                                                    In kaum einem Beruf kann ich mich so intensiv mit mir
                                                                                    selbst auseinandersetzen. Alles kreist um die eigene
                                                                                    Befindlichkeit. Das kann auch etwas Therapeutisches
                                                                                    haben – zumindest etwas Klärendes.



























                                                                o.T., 1992, Bleistift,
                                                                178 x 167 cm        Detail

























                                                                Stuttgarter Zimmer
                                                                um 1990
                                                                              105
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