Page 107 - neu 9.4.2024 textkorrektur.indd
P. 107
dort setzte ich mein nächtliches Zeichnen und Malen fort.
Heute bin ich immer noch im gleichen Gebäude, nur zwei
Stockwerke tiefer.
BvH: Wie kamst du damit zurecht, dass du nun kein bewun-
derter Student der Akademie mehr warst?
WF: Ein Star war ich nie gewesen, weil ich mich kaum zeigte.
Ein Atelierstipendium bekam ich auch nicht zugesprochen.
Einschneidender war für mich das plötzliche Leben ohne
BAföG. Meine ersten Ausstellungen waren Vor-Ort-Pro-
jekte. Ich arbeitete einfach in meinen Ausstellungen weiter.
Damit hatte ich zwei Vorteile auf einmal: wieder mehr Zeit
für meine Arbeit und Heizung im Winter.
BvH: Wie fühlte sich das Künstlersein für dich in dieser prekären
Lage an?
WF: Ich hatte nie in den Tag hineingelebt, trotzdem ging mei-
ne Planung in den 90ern und nach der Jahrtausendwende
selten über ein halbes Jahr hinaus. Nicht nur mein Leben,
sondern generell befand sich ganz Deutschland durch die
Wiedervereinigung im Wandel. An meiner Entscheidung
für die Kunst habe ich jedoch nie gezweifelt. Es gab für
mich kein Zurück in mein früheres Leben als Bahner.
In kaum einem Beruf kann ich mich so intensiv mit mir
selbst auseinandersetzen. Alles kreist um die eigene
Befindlichkeit. Das kann auch etwas Therapeutisches
haben – zumindest etwas Klärendes.
o.T., 1992, Bleistift,
178 x 167 cm Detail
Stuttgarter Zimmer
um 1990
105