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Die Öffentlichkeit
BvH: Nur sieben Prozent aller Kunststudierenden von Uni-
versitäten, Fachhochschulen und Akademien arbeiten über
zehn Jahre nach dem Studium weiter. 90 Prozent geben die
Kunst auf! Wir könnten darüber reden, wie wichtig es ist,
öffentlich wahrgenommen zu werden, Kataloge zu machen,
zu Symposien eingeladen zu werden, gute Kritiken und
ordentliche Ausstellungsangebote zu bekommen. Leider
habe ich oft erlebt, dass sich Ausstellungsmacher von mir
abwenden, weil die Ausstellungsbesucher*innen ablehnend
und teilweise sogar wütend werden.
WF: Du hast dich dem Kunstbetrieb und dem damit verbunde-
nen Kunstmarkt gestellt. Ich schaue voller Respekt auf deine
beeindruckenden Ausstellungen der letzten 30 Jahre. Es sind
kraftvolle Statements einer großen Malerin, die dabei ist,
sich unter den führenden deutschen Künstlerinnen einen
Namen zu machen. Ich bekam zur gleichen Zeit mehrere
Einladungen aus dem Ausland zu Symposien und bestritt
viele Projekte jeweils vor Ort. Mein Interesse am Galrie-
und Museumswesen war eher zurückhaltend. Deshalb
lassen sich unsere Wege innerhalb des Betriebes nicht direkt
miteinander vergleichen.
BvH: Wir beide werden sehr geschätzt von anderen Künstler*in-
nen. Meine „Hochzeit“ lag in den 40ern und 50ern meines
Lebens. Es gab wichtige Einzelausstellungen wie in der
Kunsthalle Schweinfurt, dem CODA-Museum Apeldoorn/
NL, der Kunsthalle Erfurt, dem Kunstverein Ludwigshafen,
dem Kunstmuseum Reutlingen, dem Ostwall Museum
Dortmund oder dem Ludwigmuseum in Koblenz.
WF: Bei mir gab es tolle Einzelausstellungen wie etwa die in der
Galerie der Stadt Backnang, im Kunstverein Ellwangen, in
der Galerie Contact Böblingen und gerade im Kunstmuseum
Reutlingen meine erste Retrospektive. Darüber hinaus nahm
ich wie du an zahlreichen Gruppenausstellungen im In- und
Ausland teil.
BvH: Wir hatten beide leider nicht das Glück, dass die Vermark-
tung eine Galeristin oder ein Galerist gleichen Alters für uns
erledigt hätte. Es ist einfacher, wenn die Öffentlichkeitsarbeit
von anderen übernommen wird.
WF: Trotzdem sind wir unbeirrt unsere Wege gegangen, vorbei
an Untiefen und Irrwegen. Heute kann ich mit Stolz behaup-
ten, dass ich länger als die meisten Galerien durchgehalten
habe, mit denen ich zu tun hatte.
BvH: Wie oft warst du auf Symposien?
WF: Ich komme auf acht im In- und Ausland: etwa Lappland
in Schweden, nah am Polarkreis, Niederlande und Teneriffa
(Mariposa-Projekt), die USA, dann China. Dort war ich in
einer Druckwerkstatt, in der ich mich über vier Wochen mit
einem großen Holzschnitt auseinandersetzte und ihn mit
mehreren Helfer*innen von Hand abdruckte. Besonders
spannend war „Native – Invasive“, 2006, in Minoqua an der EnBW Kohlekraftwerk Walheim,
Kaimauer 7,5 x 240 m, 2008
kanadischen Grenze, organisiert von der Universität Madison.
Für mich lag ein 16 Meter langer Basswood-Stamm bereit! Kunstforum Weil der Stadt,
„Wolfgang Folmer, Ars solvendi – die Kunst
Die vielen Einladungen begannen mit dem Bildhauersym- des Loslassens“, 2008
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